Es gibt kein wohlsortiertes Archiv, das Auskunft über die Zeiten der Initiative Ökologisch Wirtschaften in den Jahren 1988 und 1989 gibt, Unterlagen über die Vereinsgründung liegen verstreut in verschiedenen Aktenordnern, manches ist gar nicht mehr aufzufinden. Die zahlreichen Ideen, Projekte, die Arbeit der Ausschüsse sind nicht immer dokumentiert. Die Geschichte der ersten 10 Jahre des Vereins ist aber nicht nur eine Geschichte der Projekte, der Niederlagen und Erfolge sondern es ist auch die Geschichte vieler Menschen, die den Verein auf ganz unterschiedliche Weise begleitet haben. Was liegt also näher, einen ganz privaten Blick zurück zu werfen.
Veränderungen als Nährboden
Mitte der 80iger Jahre befand sich die Insel in einem Umbruch. Der Fremdenverkehr gewann mehr und mehr an Bedeutung für die Inselwirtschaft, der Strukturwandel schien die Landwirtschaft fest im Griff zu haben. Fremde zogen auf die Insel, oft mit der fest erklärten Absicht, sich hier niederlassen zu wollen. Neue Lehrer an unserer Schule, der langjährige Pastor ging in den Ruhestand, neue Gesichter im Gemeinderat, zahlreiche Veränderungen für eine Kontinuität gewohnte Inselgemeinschaft. Umbruchzeiten mit einer Orientierungslosigkeit, verbunden mit dem Gefühl, ziellos in die ungewisse und eher düstere Zukunft zu treiben.
Es sind die Zeiten, die Veränderungen hervorbringen, nicht so sehr die Menschen, die diese Veränderungen voran trieben. Menschen werden zu Katalysatoren für Entwicklungen, für die Zeit einfach reif war. Menschen, die oft seit Jahren fast Tür an Tür wohnen ohne sich über grundlegende Fragen austauschen zu können. Manchmal bedarf es nur einer eines kleinen Anstoßes und größere Dinge können sich entwickeln.
Vielleicht war es ein erstes Treffen im Koog, bei dem alles seinen Anfang fand. Wenn benachbarte Bauern, die bisher allein für sich geträumt und geplant hatten, sich besuchen, über ihre Ideen erzählen, gehört beim Thema Umstellen und ökologischer Landbau schon etwas Mut dazu.
Vielleicht war es ein gemeinsames Essen, bei dem erstmals in einem etwas größeren Kreis darüber diskutiert wurde, das eine ökologische Entwicklung und ein nachhaltiges Wirtschaften nicht nur eine private Spinnerei war. Zu spüren, dass man mit seinen Ansichten und Vorstellungen nicht ganz alleine da stand, war wichtig, um der Idee „Ökologisch Wirtschaften“ in die Welt zu helfen.
Ideen werden dikutiert
Versammlungen im Jahre 1989 mit Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf in der Börse, mit Hans Eigen und Hans Wiesen in der Hooger Fähre wurde erstmals zu einem Podium, solche Ideen in der Öffentlichkeit vorzustellen. Schon damals ging es nicht ohne erbitterte Diskussionen und persönliche Kränkungen ab. Ein Artikel in den Husumer Nachrichten schien alle Hoffnungen auf eine breitere an ökologischer Landwirtschaft orientierte Basis zu zerstören. Schon damals tauchte das „Überstülpen“ und der „Zwang“ als böses Gespenst in den Diskussionen auf. Leserbriefe wurden geschrieben, erste auch persönliche Zerwürfnisse unter den ersten Mitstreitern blieben für eine ganze Zeit nicht ohne Folge. Immer wieder war es wichtig, eine den persönlichen Zusammenhalt wieder herzustellen, zu festigen, eine Aufgabe, die oft genug die Frauen übernahmen, wenn die Männer als Streithähne aus persönlicher Gekränktheit oder Eitelkeit fast das Benmühen um die gemeinsame Sache hintanstellen wollten.
Ideen alleine bewegen wenig, sie müssen auch in eine feste Form gegossen werden. Der Blick von außen ist da hilfreich und so wundert es nicht, dass Pellwormer Träume und Perspektiven in Brüssel in eine feste Form gegossen wurden und im Sommer 1989 erstmals ein schriftliches Konzept zu einem „Ökologisch Wirtschaften auf Pellworm“ vorlag.
So ging es in diesem „Summer of 89“ oft hektisch zu. Bereits im Juni suchte die Initiative ein erstes Gespräch mit dem Landwirtschaftsministerium in Kiel, mit dem damaligen Landrat Dr. Blatt in Husum wurde diskutiert, und dieser konnte bereits vor 10 Jahren ein „spezielles Gütesiegel für Pellworm“ vorstellen.
Der Herbst und Winter 89/90 wurde nicht weniger unruhig. Zahlreiche, die sich später nicht zu einer Mitgliedschaft oder Mitarbeit bei Ökologisch Wirtschaften entschließen konnten, arbeiteten intensiv an einem Satzungsentwurf mit. Erste Anträge und Verhandlungen mit diversen Ministerien wurden geführt. Ziel dieser Gespräche war, für Pellworm eine Möglichkeit zu eröffnen, als 5B Gebiet anerkannt zu werden, um eine Förderung bestimmter Maßnahmen aus EU-Töpfen zu erhalten. Dass dieses Ziel gemeinsam mit anderen erreicht wurde, war sicherlich ein erster großer Erfolg der jungen Initiative
Vereinsgründung
Im Februar 199o war es dann soweit. Am 23.2.90 wurde mit einer Postwurfsendung zu einer öffentlichen Vereinsgründungsversammlung in die Hooger Fähre eingeladen. Das Interesse war überwältigend, 108 Pellworm hörten einen Vortrag von Graefe zu Baringdorf zu den „Entwicklungschancen des Ökologischen Landbaus“ und diskutierten den vorliegenden Satzungsentwurf. 37 Anwesende erklärten ihre Mitgliedschaft. Ein Gründungsvorstand wurde gewählt und sieben Gründungsmitglieder konnten glücklich und erschöpft ihre Unterschrift unter die Gründungssatzung setzen.
Bereits im März gab es die erste reguläre Jahreshauptversammlung, bei der eine erste Satzungsänderung beschlossen wurde. Ein Beirat mit einem Sekretär wurde geschaffen, um eine Beratung und Hilfe von außen zu bekommen und gleichzeitig eine bessere Anbindung an die EU in Brüssel zu schaffen. Der Sommer blieb aufregend. In Verhandlungen mit dem Umweltministerium konnte die Förderung eine Beratungs- und Koordinationsstelle für ökologisches Wirtschaften erreicht werden. Namentlich darf hier Herr Glanz erwähnt werden, der von Beginn an von der Idee des Vereins überzeugt war und mit dessen Beratung und Unterstützung die erste Geschäftsstelle des Vereins in der alten Schmiede am Nordermitteldeich bezogen werden konnte. Es existieren leider kaum Fotodokumente des schweißtreibendes Umbaus der alten Schmiede, die nach viel Eigenarbeit für die ersten 10 Jahre zum Zuhause für den Verein wurde. Die Einweihung gemeinsam mit einem Besuch der niederländischen Soune Groun erfolgte am 28.6.91. 1991 war der Verein erstmalig auch mit einem Zelt auf dem Hafenfest vertreten, damals noch gemeinsam mit dem Verein „Mittleres Nordfriesland“.
Mangelndes Selbstbewußtsein konnte dem Verein in den ersten Jahren nicht nachgesagt werden, zur Eröffnung der Geschäftsstelle wurde selbst der damalige Ministerpräsident Björn Engholm eingeladen.
Die Suche nach einem Geschäftsführer gestaltete sich schwierig. Der erste Geschäftsführer beendete noch vor Antritt auf Pellworm seine Arbeit. Für die gleichzeitig mit der EU, dem Land und der Gemeinde geführten Verhandlungen über ein LEADER II-Projekt auf Pellworm stellte er jedoch den ersten Projektantrag zusammen. Dieser Antrag in seinem Grundsatz noch heute aktuell und dient immer wieder als Diskussionsgrundlage für Verhandlungen mit verschiedenen Geldgebern. 1990/91 gestalteten sich die Diskussion dennoch mehr als mühsam. War zunächst ein Zusammenkommen mit Gemeinde ausgesprochen
schwierig, so war es schließlich das Land Schleswig-Holstein, das den gemeinsam von Gemeinde und Ökologisch Wirtschaften eingereichten Antrag nicht an die Brüsseler Behörden weiterreichte, obwohl dort bereits eine positive Beurteilung avisiert worden war. Die Suche einer Geschäftsführung ging weiter und zur Jahresmitte 1991 konnte Gesine Agena eingestellt werden.
Die Öffentlichkeit nimmt Pellworm wahr
Das Interesse der weiteren Öffentlichkeit an der Arbeit des Öko-Vereins war enorm. Zahlreiche Artikel in den verschiedensten Zeitschriften von den Husumer Nachrichten bishin zu einer jungen Illustrierten in der damaligen „Noch DDR“ zeugen davon. Noch heute wird es manchem der damals Beteiligten heiß und kalt werden bei der Erinnerung an das Echo, das die Veröffentlichungen auf der Insel auslösten. Für die Arbeit des Vereins auf Pellworm erwies sich vieles als Wenig hilfreich. Die Kontroverse glitt oft in das Persönliche ab und mancher damals aufgeworfene Graben scheint bis heute nicht zugeschüttet. Was soll man schon sagen zu Artikelüberschriften wie „Mutige Männer verändern eine Insel“ oder „Wenn es nach den Bauern geht, wird auf Pellworm alles anders“. Auch wenn wir heute darüber schmunzeln können, damals waren solche Artikel eine reine Katastrophe.
Im März 1992 veranstaltete der Verein ein überregionales Seminar zum Thema „Ökologisch Wirtschaften – Chancen für den ländlichen Raum“. Referenten aus der ganzen Bundesrepublik leiteten Workshops zu den verschiedensten Bereichen des nachhaltigen Wirtschaften, die Teilnehmer diskutierten von Freitagabend bis in den Sonntag hinein. Trotz der teilweise sehr kontrovers geführten Diskussion wurde das für die mehr als 90 Teilnehmer ein voller Erfolg.
Arbeit in Ausschüssen und erste Konzepte
Die von der Geschäftsführerin zu betreuenden Bereiche waren vielfältig und umfangreich. Die Fülle der bereits im den ersten Vereinsjahren erarbeiteten Konzepte überrascht immer wieder. Es gibt kaum ein Thema aus dem Bereich des ökologischen Landbaus bzw. des nachhaltigen Wirtschaftens, zu dem nicht umfangreiche Arbeitspapiere und Konzepte erstellt wurden.
Zahlreiche Veranstaltung sollten helfen, Überlegungen des Vereins einer breiteren Öffentlichkeit nahezubringen. Bereits 1990 wurde eine erste Veranstaltung zum Thema Winderenergie durchgeführt. Immer wieder ging es in den Versammlungen um Fragen der ökologischen Landwirtschaft, aber auch der Tourismus spielte eine große Rolle.
Die Arbeit der Ausschüsse hat in den ersten Jahren die Arbeit des Vereins stark geprägt. Der Fremdenverkehrsausschuß entwickelte die Idee einer Öko-Fahrradtour, auf der Informationen zum Verein verknüpft wurden mit dem Besuch einer Windkraftanlage sowie einem abschließenden Probierbufett auf einem der ökologischen Betriebe. Das Konzept der Tour wurde im Laufe der Jahre mehrfach überarbeitet, mehr als 5000 Gäste dürften sich in den vergangenen Jahre so
informiert haben. Der Fremdenverkehrsausschuß setzte sich kritisch mit der Präsentation der Insel in der Öffentlichkeit auseinander. Das Pellworm-Magazin wurde einer grundlegenden Revision unterzogen. Vieles, was wir heute im Pellworm-Magazin kennen bishin zur Begrüßung stammt ursprünglich aus der Feder des Fremdenverkehrsausschuß des Vereins. Nicht nur Freunde machten sich Verein und Ausschuß mit der Verleihung einer goldenen Zitrone für weniger glückliche Veränderungen im Pellworm Magazin. Über ein Fahrradwegekonzept, Wander- und Reitwege wurde bereits nachgedacht, als Saisonverlängerung und Auswirkungen des Tagestourismus noch kein allgemeines Thema auf Pellworm waren. Daß bereits 1991 die Errichtung einer Mehrzweckhalle für sportliche Aktivitäten angeregt wurde, möchte man kaum glauben.
Der Energieausschuß setzte sich bereits kurz nach Gründung des Vereins mit Überlegungen zu einem Energiekonzept für Pellworm auseinander. Öffentlichkeitsarbeit in Zusammenarbeit mit örtlichen Handwerkern stand ebenso immer wieder im Mittelpunkt der Arbeit wie Projektwochen in Schule und Veranstaltungen zu den unterschiedlichsten Themen des Energiesparens. Der Vorschlag zur Anschaffung eines Elektroautos für die Gemeindearbeiter bzw. die Kurverwaltung landete bereits 1990 auf dem Schreibtisch der Amtsverwaltung.
Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Energie führte dann 1996 zur ersten Energiestudie auf Pellworm, die gemeinsam mit der Schleswag und dem Forum für Zukunftsenergien unter finanzieller Unterstützung der EU durchgeführt wurde. Eine Anschlußstudie, die sich mit der praktischen Umsetzung der in der ersten Studie gemachten Vorschläge beschäftigte wurde 1998 abgeschlossen. Pellworm wurde auch einem internationalen Publikum bekannt und schließlich als weltweites Projekt der EXPO 2000 nominiert.
Der Agrarausschuß hatte in den ersten Jahren noch eine sehr bunte Zusammensetzung. Neben Landwirte waren auch viele andere Berufsgruppen vertreten. Hatte der Agrarausschuß in den ersten Jahren noch die Aufgabe, Wissensvermittlung und Erfahrungsaustausch über den ökologischen Landbau zu betreiben, spielten in den Folgejahren auch Themen wie Vermarktung eine zentrale Rolle.
Der Verbraucherausschuß stellte ab 1992 das Bindeglied zwischen den teilweise sehr theoretischen Diskussionen im Vorstand, dem Energie- und Agrarausschuß und dem täglichen Leben her. Hier wurden mit praktischen Beispielen zur Umsetzbarkeit Themen von der Müllverarbeitung, Trinkwasser, Energiesparen, Kompostieren bishin zu einem Markttag auf Pellworm bearbeitet. Erinnert sich noch jemand daran, dass auch der Wochenmarkt oder auch die Wiederbelebung „Erfindungen“ des Öko-Vereins waren?